Reisen ist eine meiner liebsten Beschäftigungen. Ich mag es so so gerne für ein paar Tage oder wenn es die Arbeit zulässt auch ein paar Wochen einfach mal wo anders zu sein. Dabei versuche ich eigentlich immer so viele neue Orte wie möglich zu sehen. Frei nach dem Motto „zu viel Welt für zu wenig Leben“. Eigentlich. Denn wie bei jeder guten Regel gibt es hier natürlich auch eine Ausnahme. Oder sogar zwei. Die Toskana und Berlin. Beides geht bei mir immer – ich kann nicht oft genug dort sein. Über meine Liebe zur Toskana habe ich letztes Jahr schon einmal ausführlich geschrieben und weil ich letzte Woche erst in Berlin war geht es heute um unsere Hauptstadt.
Bei jedem Besuch verliebe ich mich wieder neu – bis über beide Ohren. Es sind die Kleinigkeiten, die mich einfangen, die ganz viele Glücksmomente in mir auslösen und mir das Gefühl geben ich müsste platzen vor Happiness. Seit ein paar Jahren steht Berlin deshalb regelmäßig in meinem Reise-Kalender. Ein kleines Ritual sozusagen. Berlin ist für mich ein ganz besonderer Ort und das hat hauptsächlich zwei Gründe. Ich liebe diese Stadt, die Vielfalt, die Stimmung und Möglichkeiten. Na klar bin ich kein Berliner und die echten Insider-Tipps bekommt ihr vielleicht von anderen, aber ich möchte euch zeigen was Berlin für mich ausmacht. Warum ich immer wieder so gerne dort bin. Zum einen liegt es an der Geschichte der Stadt, an der deutschen Teilung, an der Mauer, die die Stadt Jahrzehnte teilte. Zum Anderen hat die Stadt für meinen Mann und mich eine Bedeutung, einen besondern Stellenwert.
Ich wurde vor fast 33 Jahren in der ehemaligen DDR geboren. Die ersten fünf Jahre meines Lebens habe ich also auch hinter „dieser Mauer“ gelebt. Einerseits habe ich in der Zeit nicht allzu viel aktiv mitbekommen – klar ich war noch klein – aber trotzdem waren diese Jahre prägend für mich. Wenn ich darüber nachdenke, wie mein Leben verlaufen wäre, wenn die Mauer nicht gefallen wäre, wenn ich nicht so frei hätte aufwachsen dürfen, wenn ich meine Meinung nicht hätte äußern dürfen, dann schnürt es mir alles zu. Wenn ich mich gedanklich in diese Situation versetze bekomme ich ein extrem beklemmendes Gefühl und auch einen Anflug von Angst. Ich bin so unglaublich freiheitsliebend, habe meinen eigenen Kopf, bin ehrlich und hasse es mich zu verstellen. Es hätte mich wohl erdrückt.
Der Gedanke daran, wie das Leben meiner Eltern und Großeltern lange Zeit aussah, wie viele Optionen ihnen verwehrt geblieben sind, wie eingeengt und fremdbestimmt sie teilweise leben mussten, das macht mich sehr traurig, betroffen und tut mir einfach nur leid. All diese Bedingungen haben meine Familie natürlich, wie auch Millionen andere, geprägt und da das selbstverständlich nicht mit dem Tag des Mauerfalls endete ist es auch weiterhin in meine Erziehung eingeflossen. Also hat die deutsche Teilung auch mich geprägt, beeinflusst und ebenfalls dazu beigetragen, wie ich jetzt die Welt sehe. Welche Werte mir wichtig sind, was mich trifft und was mich nicht wirklich beeindruckt.
Besonders in Berlin denke ich immer wieder darüber nach wie viel Leid die Teilung verursacht hat, wie glücklich ich über mein freies Leben sein kann und wie kostbar unsere Demokratie, unserer Freiheit und Offenheit ist. Weil die Geschichte Berlins auch ein Stück meine Geschichte ist, berührt mich die Stadt bei jedem Besuch aufs Neue. Nicht nur in den Museen und den Denkmälern sondern auch in den kleinen Geschichten, die erzählt werden. Dieses Mal hat mich besonders die Grenzübergangsstelle „Bahnhof Friedrichstraße“ mitgenommen. Dort Stand früher ein kleines Grenzübergangshäuschen – man nennt es auch „Palast der Tränen“, weil dort vor Trauer, aber auch vor Glück, so viele Tränen vergossen worden. Menschen haben sich endlich wieder gesehen oder mussten sich auf lange, ungewisse Zeit trennen – definitiv ein Ort der für Gänsehaut sorgt.
In Berlin bin ich also immer ganz schön emotional – mehr als ich ohnehin schon bin. Manchmal habe ich eine kleine Träne in den Augen, weil es mich so traurig macht, was alles passiert ist, aber auch weil ich so froh darüber bin, dass dies zumindest in Deutschland vorbei ist. Ich bin so stolz darauf wie unsere Hauptstadt heute aussieht – so vielfältig, so weltoffen und so einzigartig. Ich mag die verschiedenen Viertel, das schicke Neue genauso wie die ursprünglichen Viertel. Es gefällt mir, dass die Stadt stellenweise so unaufgeregt ist und damit so authentisch und ehrlich rüber kommt.
Dazu kommt, dass Berlin für meinen Mann und mich zu einer Tradition geworden ist. Vor über zehn Jahren haben wir unseren ersten gemeinsamen Urlaub in Berlin verbracht. Frisch verliebt, mit ganz vielen Herzchen in den Augen haben wir die Stadt gemeinsam erkundet. In der Woche damals haben wir einiges von den Klassikern gemacht – Checkpoint Charly, Alex, Kurfürstendamm und natürlich eine Stadtrundfahrt mit dem 100er und 200er Bus. Es war damals schon eine tolle Zeit, aber jetzt, wo wir abseits der großen Sehenswürdigkeiten unterwegs sind, gefällt es mir noch mehr.
In den vergangenen zehn Jahren waren wir immer wieder zusammen für einen kleinen Kurzurlaub oder ein langes Wochenende in der Hauptstadt. Nach und nach haben wir immer mehr von dem eigentlichen Berlin kennengelernt, uns mehr Zeit genommen durch die Straßen zu spazieren, die Menschen beobachtet und dabei versuchen wir die Touristen-Spots nur am Rande zu streifen. Nicht, weil es uns nicht interessiert sondern weil es noch so viel mehr zu entdecken gibt.
Ganz besonders schätze ich die vielen Optionen die man dort hat und weil ich ja so so gerne Essen gehe, schätze ich ganz besonders die Vielfältigkeit des kulinarischen Angebotes. Es gibt einfach jede Küche, für jeden Geldbeutel und meistens auch noch in Top-Qualität. Angefangen bei extrem süßen Frühstücks-Läden, über tausend orientalische Imbisse bis hin zum gehobenen Spanier, Thai, Afrikaner oder, oder, oder… Ein schier unerschöpfliches Angebot, das nur ausprobiert werden möchte. Und die Entscheidung, wo wir die wenigen Abende verbringen ist immer extrem schwierig.
Das tolle Essen ist also auf jeden Fall einer der Gründe, warum mein Mann und ich immer wieder so gerne in Berlin sind. Während wir zuhause sehr gerne selber kochen und samstags nach dem Wochenmarkt lange gemütlich am Frühstückstisch sitzen sind wir in Berlin nur unterwegs. Wo zuhause immer noch etwas im Kühlschrank darauf wartet verarbeitet zu werden oder tausend Dinge erledigt werden müssen, ist in Berlin nichts – garnicht – was gemacht werden muss. Keine Ablage die wartet, keine Wohnung die geputzt werden will, keine längst überfälligen Termine. Nur Qualitytime.
Im Gegensatz zu anderen Städten, die wir zum ersten Mal besuchen, ist in Berlin im Bezug auf Sightseeing nur noch wenig offen, wenig Touristische-Todos, die wir noch nicht abgehakt haben. Im Gegenteil, wenn wir uns ein Berlin Wochenende gönnen ist das eigentlich total unspektakulär – aber im Bezug auf uns beide, ist es das Schönste was es gibt. Weil es bis auf ein paar Freunde die wir vielleicht treffen nur uns beide und ganz viel Zeit gibt.
Zeit um auszuschlafen, gemütlich zusammen Frühstücken gehen, durch die Viertel schlendern, in Ruhe Kaffee trinken und über alles mögliche philosophieren, einen kleinen Nachmittags-Nap und anschließend in eines der kleinen tollen süßen Restaurants den Tag ausklingen lassen. Für mich, für uns, ist das die perfekte Auszeit vom Alltag, die wir uns zuhause nur selten in dem Ausmaß nehmen und die für uns beide, für unsere über zehn Jahre alte Liebe so schön und auch wichtig ist.
Hauptsächlich aus diesen beiden Gründen liebe ich Berlin so sehr, weil es für mich mehr ist als eine große Stadt. Auch wenn es vielleicht komisch klingt – für mich ist diese Großstadt ein Ruhepol, ein Ort der Erholung und Entschleunigung. Eine Stadt zum Runterkommen. Eine in der ich mich auch nicht verstellen muss um rein zu passen, sondern eine Stadt, die jeden genau so nimmt wie er ist. Berlin ist Energiequelle für mich, ein wenig wie eine Heimat abseits meines Zuhauses.
So. Und nachdem ich jetzt so geschwärmt habe, gibt es hier noch meine Highlights:
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ein Besuch in der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen machen und dabei von ehemaligen Gefangen hören, wie es sich angefühlt hat nicht zu wissen wo man ist und was mit einem passieren wird
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eine Führung über den Flughafen Tempelhof mitmachen um mit eigenen Augen zu sehen wie riesig das Ding ist und den Indoor-Basketballplatz der Amerikaner zu bewundern
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im Mauerpark rum hängen, Radler trinken, dabei abwechselnd den Basketballspielern und den Karaokesängern zuschauen
- mit den anderen Berlinen und einigen Touris zusammen eine Spree-Rundfahrt machen, dabei Kaffee trinken und ein Eis essen – der Klassiker schlechthin – sucht euch dabei ein Schiff aus, dass nicht ganz so groß ist, dann fühlt es sich weniger nach Massentourismus an 😉
- Fotos in einem der uralten schwarz-weiß Fotoautomaten machen und jedes mal wieder vom ersten Blitzlicht überraschen lassen
Und hier wäre ich Stammgast, wenn ich in Berlin leben würde:
- Suicide Sue – mega leckeres Frühstück mit tollen Brotaufstrichen (auch vegan) und unterschiedlich belegten Stullen
- Fräulen Dickes – super Quinoa Frühstückskreationen und andere liebevoll angerichtete Starter für den Tag
- ABC – Allans Breakfast Club & Wine Bar – der Name ist Programm – Allan bedient selber – aber nur auf Englisch, es fühlt sich an, als ob er seine Frühstücksbar samt Karte einfach genau so aus Amerika importiert hat
- Hokey Pokey – überragendes Eis, tolle Sorten, nette Leute – leider auch endlose Schlangen, aber das Warten lohnt sich – versprochen
- D.O. – kleines feines katalanisches Restaurant mir authentischen Gerichten und unglaublich netter Bedienung – unbedingt den kleinen Schokokuchen zum Dessert nehmen – ganz große Liebe
- Orientalische Imbisse – davon gibt es unglaublich viele – zwei davon kann ich wärmstens empfehlen: das Yarok und Babel. Auf jeden Fall eine gemischt Platte nehmen, damit ihr wirklich alles mal naschen könnt
- Weinerei – einfach ein Glas besorgen, viele verschiedene Weine ausprobieren und am Ende das zahlen was dir der Spaß wert war – aber Achtung – wer zu viel durcheinander testet hat am nächsten Tag bestimmt eine kleine Miezekatze im Schlepptau;)